Interpretation als Begegnung

Jede Interpretation ist eine Begegnung, die so unterschiedlich ausfallen kann, wie Begegnungen ausfallen können. Dabei ist die Frage durchaus offen, welche "Seite" die maßgebende ist, die "auslegende" oder die "vorliegende". Interpreten können ergriffen, eingenommen, ja, besessen von ihrem "Gegenstand" sein. In rationalerer Hinsicht gibt es eine (hermeneutische) Verstehenskunst, die es nicht bei eigenen oder sonstigen "Vor"-Verständnissen belässt, sondern sie (selbst-)kritisch hinterfragt mit Rücksicht auf womöglich übersehene oder vernachlässigte Momente oder ganze Dimensionen, die das Vorliegende (phänomenal) zu verstehen "gibt" bzw. worauf Interpreten einander aufmerksam machen können. Zugleich können all solche Vor- und Rücksichtsmaßnahmen in den Wind geschlagen werden, indem der Interpret das zu Interpretierende für einen (ideologischen) Sinnzusammenhang zu vereinnahmen gedenkt, den er unter keinen Umständen zu relativieren bereit ist. Wie gesagt, eine Interpretation kann jede Qualität haben, worin sich Begegnungen überhaupt unterscheiden.

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