Naturalismus und Glaube

Als Naturalist liegt mir die Annahme einer übernatürlichen Schöpferkraft fern, sondern beziehe ich mich – gleich den allerersten griechischen Philosophen – auf die Natur, die es für Menschen als Welt voller vielleicht allesamt lösbarer Rätsel wissenschaftlich zu erforschen und technisch zu meistern gibt. Die technische Meisterung der Natur ist in Kraft, seit Menschen Werkzeuge herstellen, was sie seit Urzeiten tun. Ein künftiger Stand der Technik könnte sich als naturwüchsiges Zustandekommen einer "höheren Mächten" offenbaren, die in früheren Zeiten lediglich Vorspiegelung von Götter- oder Schicksalsgläubigen gewesen sind.

Warum sich heute nicht in der Askese üben, es bei vorläufigem Wissen und allenfalls noch bei Gedankenspielen zu belassen? Glauben heißt so viel wie auf etwas schwören. Was soll eine solche Übertreibung? Warum sollte es uns schlecht anstehen, im Ungewissen über die Lösung der großen Grenzfragen und Welträtsel zu sein, und besser anstehen, uns mit irgendwelchen Er/Lösungsphantasien zu behelfen, auf die wir uns dann glaubenstüchtig einschwören? Ich jedenfalls halte mich an die Horizonte des empirisch überprüfbaren Wissens, statt mir darüber hinaus etwas zusammenzureimen.

Mir geht es darum, mein geistiges Leben zu verweltlichen; es zu 'entspiritualisieren', ohne dass es deshalb geistlos wird – im Gegenteil. Heute hat niemand eine Ahnung, wie es mit der Evolution weitergeht. Da kann es noch etliche, vorerst nicht auszudenkende Natur-"Wunder" geben, von denen das sterbliche Leben nur eines der ersten Beispiele ist – was für eine säkular-geistige Herausforderung! Wir Menschen sind nicht "die Krone der Schöpfung". Es ist zudem davon auszugehen, dass wir mit unserem Wissen nur Stück für Stück vorankommen und noch einen schier unendlichen Weg vor uns haben. Nur ein "Glaube" kann so verstiegen sein, davon auszugehen, irgendeine "göttliche" Geistesgröße hätte alles immer schon voll unter Kontrolle. Tiefgehend "weltlich" kann 'Liebe zur Weisheit' erst werden, wenn metaphysische "Hinterwelten" als bloße Projektionen entlarvt oder auch als künstlerisch-metaphorische Spielräume "entweiht" sind.

Die eine, natürliche Welt ist ein solches Alles-in-allem, dass man in ihre Rätselhaftigkeit nicht zusätzlich noch allerlei hineingeheimnissen muss, um das zu übertreffen. 'Lob der Wissenschaft', der heute adäquate Philosophiebegriff, genügt.