Suche nach Schuldigen

Wissenschaft als Ursache von Super-GAUs an den Pranger zu stellen, zeugt von einem leichtfertigen Umgang mit dem Kausalitätsbegriff, der ohnehin arg ins Rutschen gekommen ist. Ein Wissenschaftler, der über den ökonomischen oder militärischen Einsatz etwa von Kernenergie entscheiden würde und dergestalt ein 'Urheberrecht' darauf hätte, wäre hauptamtlich in ganz anderer Funktion. Freilich tragen Wissenschaftler als Politikberater einen gehörigen Teil Verantwortung, doch wiederum nicht in forschender, sondern eben beratender Funktion – ähnlich wie von einem PEN-Vorsitzenden in diesem Amt kein Sprachkunstwerk erwartet wird, das dann ausschlaggebend wäre zum Beispiel für den Ausschluss eines Mitglieds. Die Suche nach Schuldigen gehört überhaupt zum Fragwürdigsten und steht der Lösung von Problemen vielleicht mächtiger im Weg als noch die zweifelhafteste Unschuldsvermutung. Mit Moral dürfte keinem Teufelskreis zu entrinnen sein. Das spricht keinesfalls gegen gründlichste Fehleranalysen. Der empirischen Wissenschaft übrigens ist die "Kardinaltugend" der Besonnenheit nicht wesensfremder als dem übrigen Geistesleben. Ebenso steht jede Erkenntnisweise in der Gefahr, sich jeder anderen überlegen zu wähnen. Keine sollte es wohl versäumen, sich selber mit Vorsicht zu genießen.