Gegen engstirnige Glaubenssysteme

Wir wissen mehr und mehr um das Ausmaß unserer Unwissenheit – das ist für unsere Spezies besonders kennzeichnend. Wir nehmen zum Beispiel Licht wahr und wissen dabei, dass wir nur für einen sehr geringen Teil des elektromagnetischen Spektrums Sinnesorgane haben. Es kommt uns sogar trotz besseren Wissens ums Nichtwissen – Sokrates lässt grüßen! – immer noch so vor, als ginge die Sonne auf und unter.

Aber deswegen müssen wir noch nicht zu den Dummköpfen oder den dummdreisten Verschwörungstheoretikern gehören, die sich von diesem besseren Wissen nicht abhalten lassen, ihre subjektiven Eindrücke oder auch Wahnvorstellungen für die objektive Realität zu halten und derart auf einen Glauben an "alternative Fakten" zu verfallen, von denen abzuweichen ihnen als "Lügenpropaganda" erscheint. So bleibt unser Planet flach wie ihre Köpfe. Ein Wahrheitsgehalt ist in jedem solchen Wahn ja tatsächlich enthalten: Vieles kann einem anders vorkommen, als es mit wissenschaftlichen Mitteln – in diesem Sinne objektiv – erforschbar ist; jede Perspektive hat einen (freilich korrigierbaren) Realitätsbezug. Das gilt im Übrigen auch für religiöse Phantasiegebäude, die psychologisch ergiebig bleiben können, indessen als Glaubenssysteme in denselben Sack gesteckt gehören: in den für leichtfertige Welterklärungen, verbunden mit bornierten Überzeugungen.