Grundlagenforschung als Philosophie

Das Streben nach Erkenntnis ist nicht nur um technischer oder sonstiger praktischer Nutzeffekte willen für einen Menschen kennzeichnend. Ich halte einen Wissenschaftler im besten Sinne dieses Wortes für einen Grundlagenforscher: für einen "Philosophierenden mit anderen Mitteln" (Hoimar von Ditfurth); für einen, der bemerkt, dass unser Wissen begrenzt ist, und zugleich bemerkt, dass die Horizonte des begrenzten Wissens erweiterbar sind. Im Grunde ist es das, was ihn forschen, also Wissenschaft treiben lässt. Natürlich docken praktischer gesonnene Menschen hier an und spannen Wissenschaftler sogar für 'handfeste' Anwendungen der Forschungsergebnisse ein, indem sie vor allem als Geschäftemacher und politische Machthaber viel mehr Geld in Projekte mit entsprechendem 'Potential' stecken denn in wissenschaftliche Betätigungsfelder, die den Investoren nicht so 'systemrelevant' erscheinen.

Im Kapitalismus unterliegt der soeben von mir skizzierte Eigen-Sinn der Wissenschaft wie jedes andere menschliche Lebensbedürfnis der Selbstentfremdung. Jedes Mitglied der Gesellschaft kann sich dabei ertappen, nützlich für das Kapital sein zu wollen, weil das unter den gegebenen Verhältnissen gleichbedeutend mit dem Lebenswillen und allzu oft mit dem bloßen Überlebenswillen ist.

Was mich angeht, habe ich in meinem Berufsleben zumindest nie Karriere-Ambitionen gehabt, die mich im Fall einer Familiengründung gewiss weniger kalt gelassen hätten. Doch so konnte ich als Single eine ruhigere 'professionelle' Kugel schieben und meine jobfreie Zeit an 'materiellen Notwendigkeiten' vorbei weitgehend kontemplativ gestalten, ungefähr à la Schopenhauer: "Das Leben ist eine missliche Sache; ich habe mir vorgesetzt, es damit hinzubringen, über dasselbe nachzudenken." Wobei mir nicht nur das "Missliche" in den Sinn kam und kommt, sondern die breite Palette des Erforsch- und großenteils Bewunderbaren in Welt und Menschheit; so dass bei mir ein solch eigensinniger Hedonismus angetan ist, den Pessimismus des soeben zitierten Denkers wohltuend oft auszuweichen. Außerdem hat es sich zu fast keiner Zeit ergeben, in einem politischen Aktivismus aufzugehen – und ich mache mir kein Gewissen daraus.