Plädoyer gegen Überzeugungen

Es gibt keine Lehrer, keine von einem besseren Wissen her Lehrende, sondern überall nur Lernende, überall im Bildungswesen nur Lernwesen, wie überhaupt alle Lebewesen Lernwesen sind, die (ver-)suchen und irren, immerzu weiter (ver-)suchen und weiter irren – und dabei sehr oft (wenn auch nicht meist) sehr erfolgreich sind. Das Weltwesen lässt sich sozusagen immer höchstens nur ein Stück weit erschließen.

Dogmatiker – wörtlich: Lehr-Meiner – aller Couleur meinen einen Schlüssel zu besitzen für das Wesen der Welt; in diesem Sinn meinen sie ausgelernt zu haben, keine Lernwesen mehr zu sein. Ihr Schlüssel verschließt sie gegen jedes bemerkenswerte Dazulernen, das immer eine zumindest kleine Überraschung bedeutet. Gegen solche Überraschungen sind sie immunisiert. Vielmehr sind sie einer festen Überzeugung, und ihr vermeintliches Lehren ist nichts als Überzeugungsarbeit. Dieses (nach Walter Benjamin: Einbahnstraße [Für Männer]) "unfruchtbare" Treiben hat leider 'Schule gemacht', spätestens seit dem Mittelalter, auf durchaus vergleichbare Weise schon immer, seit es Leben gibt; denn die Evolution ist voller Unfruchtbarkeiten, voll von derart gewaltigen Irrtümern, dass Lebensformen im Keim ersticken. Die wenigsten Lebensansätze überdauern das Alter des Setzlings. Trotzdem überdauert eine ungeheure Fülle von (Spiel-)Arten; die Natur kann es sich offenbar leisten, überaus verschwenderisch zu sein.

Für mich liegen nicht nur in diesem großen Zusammenhang 'Schulen ohne Lehrer' nahe. Warum nennt man die in der Schule Lernenden nicht einfach "Lerner", sondern "Schüler"? Konsequent wäre dann doch, auch die in der Schule Lehrenden "Schüler" zu nennen; denn sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden – ebenso wie das übrige Personal – arbeiten in dieser "Schule" genannten Einrichtung, und deshalb sind sie jedenfalls und unleugbar eben 'Schüler'. Butter bei die Fische!