Transzendieren ohne Transzendenz

Für Christen gibt es über der natürlichen Welt das himmlische Reich (HEAVEN) Gottes, für Platoniker hinter dem Schleier der nur scheinbaren Sinnenwelt den Ideenhimmel (SKY of Ideas). Das ist, als hätte man in alten Zeiten naive Vorahnungen von dem gehabt, was die kosmische Evolution des Sternenhimmels (SPACE)  an Ergebnissen mit sich bringen und auch schon gebracht haben dürfte: Entwicklungsstufen der Intelligenz, die weit über unsere irdische geistige Lage hinausragen. Keine jenseitsorientierte Metaphysik mehr, sondern die naturalistisch verfahrende empirische Wissenschaft legt diesen transzendierenden Gedanken nahe, der mit einem atheistischen Weltbild ohne Weiteres vereinbar ist. Ein solches modernes Weltbild hat anders als die älteren nur Modellcharakter und wird fortwährend umgemodelt, sobald sich in der Forschung etwas Neues tut.

Vielleicht muss man bei den himmlischen Perspektiven berücksichtigen, dass es auch überzeitliche Reiche sind. Dann wären die menschlichen Vorstellungen der (zeitlich) ersten und der der letzten Dinge bloß zweierlei Phantasien über dasselbe. Das Alles-in-allem mag lediglich unserem notdürftigen Ermessen wie ein Nach-(und Neben-)einander vorkommen. Das sage ich nicht auf Grund irgendeiner "mystischen Schau", sondern auf dem der bahnbrechenden Relativitätstheorien des Physikers Albert Einstein.

Ich deute hier den religiös-metaphysischen Transzendenzbegriff um bzw. reduziere ihn auf diejenigen Mutationen, die in der Evolution komplexere erfolgreiche Arten darstellen. Der marxistische Philosoph Ernst Bloch hat den Begriff gesellschaftsgeschichtlich verwertet, wobei er – in seiner Schrift "Atheismus im Christentum" – auch den Ausdruck Transzendieren ohne Transzendenz prägte. Individualgeschichtlich, also biographisch, könnte man das ebenfalls tun. Doch sind das Aspekte, die ebenso wie die biologische Evolution in der physikalisch-kosmischen aufgehen.